Törchenmusik 2012

AX hör ma, AX wie süß

EINUNDDREIßIG* Warteschlangen an den Supermarktkassen geduldig ausgestanden , von Zucker weiß bestäubte Berliner behutsam in den Einkaufsbeutel gelegt und Miss Sophie’s Dinner-Einladung kurzfristig angenommen. Nur für kurz einen Blick zurück geworfen mit hüpfendem Herz und tanzendem Puls – so klingt auch Auld Lang Syne in der Version von Andrew Bird. Stehende Ovationen erhält er dafür von Freude, Dankbarkeit und Frohsinn. Melancholie hingegen schaut dem Spektakel nur aus der Ferne zu. *Hör ma!

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VIERUNDZWANZIG* Die Weihnachtsgeschichte – O holy Night gesungen vorgetragen von Lisa Hannigan. So schlicht und melodisch ihr Name klingt, klingen ihre Lieder. Seit sie sich 2007 aus der Musik von Damien Rice zurückzog, steht sie mit ihren eigenen Songs auf der Bühne. Dabei erfüllt sie mit bescheidener Art den Raum, lässt ihren Musikstücken den Glanz des Abends und ist als Lisa Hannigan eher eine von den gebannt lauschenden Zuschauern als der Star im Rampenlicht. Ehrfürchtig klingt O holy Night in der Version der Irin, aber gleichzeitig so erzählerisch und würdevoll, dass das 24. Törchen schimmert und glänzt. *Hör ma!

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DREIUNDZWANZIG* Vier Kerzen leuchten auf dem Adventskranz. Sonntagsruhe herrscht vor dem großen Tag und der großen Nacht. Törchenmusik nimmt die Silent Night ein klein wenig vorweg. Wieder eine amerikanische Indie-Pop-Band, aus Minnesota, hat ihre Weihnachtsromantik auf einem Album festgehalten. Low laden dazu ein, sich zurückzulehnen und von ihren Klängen wohlig eingehüllt innezuhalten. *Hör ma!

*In Oberndorf bei Salzburg, dem Entstehungsort des Original-Liedes, sammeln sich morgen um 17 Uhr wie jedes Jahr Tausende, die an der Stille Nacht Kapelle den ursprünglichen Texten lauschen. Dann wird das Lied traditionell von zwei Musikern mit Gitarre vorgetragen. Die Live Webcam lässt alle Welt daran teilhaben.

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ZWEIUNDZWANZIG* Ein so schlichtes Lied, eine Ode an die Geburtsstadt JC’s ist Oh little Town of Bethlehem. Inspiriert von einem Besuch der Stadt schrieb Phillip Brooks 1865 die Verse des Liedes. Zwei Melodien gibt es für diesen Text: Eine in England verbeitete, sehr kindlich hüpfende und eine in Amerika bekannte eher getragene, und andächtig ruhende. Beide sind wunderbar anzuhören. In diesem Jahr schenken uns Bright Eyes aus Omaha ihre der Heimat entsprechende Version. *Hör ma!

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EINUNDZWANZIG* Home, so wunderbar singt Edward Sharpe mit seinen magnetischen Nullen. Home, so wunderschön das Gefühl an Weihnachten mit aller Ruhe heimzukehren. Habel & Huhn haben den Song der 10 wilden Amerikaner mit leicht weihnachtlichem Dekor performt. *Hör ma!

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ZWANZIG* Ein musikalischer Weihnachtsgruß ist Have yourself a merry little Christmas. Ursprünglich waren die ersten Zeilen „Have Yourself a Merry Little Christmas. It may be your Last. Next Year we will all be living in the past.“, was einen Tag vor der Maya Zeitenwende besonders dramatisch wirkt. Judy Garland verdanken wir eine etwas positivere Ausrichtung des Liedes, denn sie weigerte sich diese von Unheil und Ungewissheit getränken Verse zu singen. So ging das Lied also mit „Have Yourself a Merry Little Christmas. Let your heart be light. Next year all our troubles will be out of sight.“ in die Musikgeschichte ein. So singt es auch Britin Ellie Goulding. *Hör ma!

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NEUNZEHN* Sommerliche Hitze im Jahr 1944 blockierte Songschreiber Mel Tormé und Bob Wells so sehr, dass winterliche Inhalte ihnen die nötige Kühle bescherten. So ähnlich erzählte Mel Tormé später die Entstehungsgeschichte von The Christmas Song, der 1946 in der Version von Nat King Cole groß rauskam und seither jedes Jahr wieder für Winterstimmung sorgt. Das amerikanische Duo She & Him tragen es wunderbar simpel vor  – lieblich und zurückhaltend harmoniert diese Inszenierung mit der einfachen Aussage des Liedes. *Hör ma!

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ACHTZEHN* Jingle Bells erzählt weniger von kindlichen Träumereien über den Mann in rot mit starken Rentieren als von einem winterlichen Pferderennen, das Songschreiber James Lord Pierpont 1850-1857 dazu inspirierte. Erst seit 1969 wird das Lied als Weihnachtslied gesungen. Heute singt es Lisa Loeb für uns: Die amerikanische Singer-Songwriterin der frühen Stunde wurde 1994 für ihren No. 1 Hit „Stay (I missed you)“ Grammy nominiert. Auf ihrer Homepage hält sie diese Auszeichnung besonders hoch. Doch ihre Nebenprojekte – Brillenmodelle mit den Namen „Snow Day“ und „I control the Sun“ sowie ihr Engagement für Summer Camps für ärmere Kinder – ziehen die Aufmerksamkeit schnell auf sich. *Hör ma!

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SIEBZEHN* Es ist Heimreise-Woche: Christmas (Baby please come home) drückt heute aus, was sich viele Menschen so viel mehr wünschen als bunt verpackte Geschenke unter dem Baum. Seit fast 50 Jahren klingt dieser so genannte „Christmas holiday song“ besonders in amerikanischen Supermärkten und Haushalten – ob in der Originalversion von Darlene Love (1963) oder in einer der Coverversionen wie z.B. von Death Cab for Cutie. *Hör ma!

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SECHZEHN* Acht Grad Temperaturanstieg haben die weiß bedeckte Landschaft – zumindest in NRW – in braunen Matsch verwandelt. Der Traum einer weißen Weihnacht schwebt über den nächsten Tagen. White Christmas auf das Wetter zu reduzieren, würde das Lied um wesentliche Aussagen berauben. In 54 Worten kreiert Songschreiber Irving Berlin ein Weihnachtsidyll, das im Entstehungsjahr 1940 vielen durch die ersten Kriegsjahre fremd wurde. Sehnsüchtig erzählt das Lied von einem friedvollen Fest. Dadurch wird der Song so universal, dass er auch 72 Jahre danach zu einem der meist verkauften Songs gehört. Snowden geben der Melancholie des Liedes viel Platz. Träumerisch, sinnlich und durch mehrstimmigen Gesang weckt diese Version Gedanken an ein harmonisches Beisammensein. *Hör ma!

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FÜNFZEHN* Wenn Lieder Bilder wären, hätte Zee Avi mit No Christmas for me ein Portrait gemalt, in zarten Farbtönen, die als Ganzes kraftvoll strahlen. Feine Pinselstriche zeichneten den Charakter des Portraitierten so unverwechselbar und ehrlich. Die Malayin versprüht eine spürbare Sanftheit durch ihren sensiblen Umgang mit Instrumtierungen und ihrer Stimme. So anmutig und bescheiden sie dabei wirkt, öffnet sie die Herzen der Zuhörer und kriecht tief hinein. “I want people to feel like they’re being hugged.“ We do. *Hör ma! 

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VIERZEHN* Introducing John Mayer: Musikalisch begabt, aber nicht hochtrabend – engagiert, aber mit Zurückhaltung – ausgezeichnet mit 7 Grammys, ohne dabei sich selbst zu wichtig zu nehmen – Gitarrist, Songschreiber, Modedesigner, Kämpfer für gute Dinge, Netzwerker. John Mayer steuert I’ll be home for Christmas dem Kalender bei. Great job, John. *Hör ma!

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DREIZEHN* Das Ein-Mann-Projekt Banjo or Freakout könnte allein mit seinen drei Weihnachtsalben einen Adventskalender füllen. Mit Gespür für atmosphärisch sinnliche Sounds schreibt der Italiener Alessio Nataliza seine kurze Wunschliste im Song All I want for Christmas. Der oft sehr kitschig vorgetragene Song wirkt fremd in diesem Klangkostüm. Diese sehr freie Interpretation entfaltet gerade dadurch seinen Reiz. *Hör ma!

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ZWÖLF* Was macht ein Lied zu einem Weihnachtslied? Ist es die Tatsache, dass sie die Kälte des Winters in unsere Wohnzimmer tragen oder selbst Erwachsenen die Mär vom Santa Claus unterhaltsam unterschieben? Baby it’s cold outside (1944) ist so ein Lied, das im Sommer gesungen wird und gleichzeitig auf Weihnachts-Specials zu finden ist. Gedacht als Weihnachtslied wurde es in den ersten Jahren nur zur Adventszeit gespielt. Für den Gesprächs-Charakter im Lied fanden sich Rufus Wainwright und Sharon Van Etten zusammen und lassen sich lediglich von einem lässigen Piano begleiten. *Hör ma!

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ELF* Was für ein Debüt: mit gerade mal 12 Jahren stellt sich Dionne Bromfield 2009 mit ihrem ersten Album vor, auf dem sie Soul- und Motownklassiker covert. Ihre Patentate Amy Winehouse war ein Jahr zuvor entzückt von dem Gesangstalent der Britin und gab ihr unter dem Dach ihres Labels Lioness eine Heimat zur musikalischen Entfaltung. I saw Mummy kissing Santa Claus ist beschwingt und groovig, kindlich verspielt – Bromfields Stimme verzaubert den Song mit dem nötigen Hauch Reife. *Hör ma!

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ZEHN* Dieses Lied ist eine britisch-amerikanische Produktion. Aus prominenter britischer Hand wurde Wonderful Christmastime 1979 geschüttelt. Paul McCartney schrieb die Zeilen und verpasste dem Original unverkennbare Syntheziser-Sounds. Amerikanisch sind die Interpreten, die sich jüngst diesem Ausdruck der weihnachtlichen Ausgelassenheit widmen. The Shins aus Albuquerque nehmen den Syntheziser etwas zurück und füllen das Stück mit Glöckchen, Chor und dominantem Schlagzeug. *Hör ma!

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NEUN* Theatralisch und pompös wird das Törchen neun: Die anrührende Geschichte des kleinen Trommlers schrieb Katherine K. Davis 1941 in einigen Zeilen und nannte es zunächst The Carol of the Drum. Als Little Drummer Boy wurde das Lied zu einem oft erfolgreich gecoverten Weihnachtsklassiker. Mit ihrer unverkennbaren Stimme singt die Frontfrau der Cranberries Dolores O’Riordan mit Achtung und Würde vom mittellosen Musiker. *Hör ma!

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ACHT* Weiße Felder und Wiesen liegen unberührt umher. Tannenzweige neigen sich voll Schnee bedeckt nach unten. Kinder werfen Schneebälle und bauen Schneemänner. Solche Bilder müssen den Songschreiber von Winter Wonderland Dick Smith inspiriert haben. Dass er damit 1934 einen Winter-Weihnachts-All-Time-Hit schrieb, konnte er nicht mehr erleben. Er starb 1935. Jason Mraz singt heute  von dieser weißen Welt. *Hör ma!

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SIEBEN* Über den Dächern von New York schwingen Gitarrenklänge und Stimmen von Sarah und Gianni. Seit ihrer Version von Somebody that I used to know (fast 140 Mio Klicks auf youtube!!!), für die sie mit ihrer Band Walk off the Earth zu fünft (= 10 Hände, 50 Finger) an einer Gitarre performten, sind sie weltweit bekannt. Fairytale of New York besticht wie auch im Original von The Pogues mit irischem Einschlag. *Hör ma!

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SECHS* Eartha Kitt gab Santa Baby 1953 ihre Stimme, mit der sie verspielt und mit naivem Unterton ihre Wunschliste durchsingt. Die geballte Ladung Koketterie und Charme des Liedes lockte viele Sängerinnen an das Mikrofon. Auch Macy Gray. Ihre Version blitzt hervor, weil sie Schmollmund und Mädchenstimme den Kolleginnen überlässt und trotzdem so entzückend klingt. *Hör ma!

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FÜNF* Hauchdünn und zart startet der fünte Dezember. Behutsam hüllt A Fine Frenzy den Song Christmas Time is Here in ein Klanggewand, durch das der Wind hindurchweht, obwohl es windstill ist. So als sei die Zeit, von der die Amerikanerin singt, zerbrechlich. *Hör ma!

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VIER* Eine Entdeckung, die auch weit nach Weihnachten meinen Hörsinn beschäftigen wird, sind Slow Club. 2006 gegründet, widmeten sie sich 2009 einer Weihnachts-EP, die in ihren Worten nicht zurückhält, dass die Weihnachtszeit manchmal auch versteckte Gefühle hervorbringt, die nicht immer zu strahlenden Gesichtern führen. Ihre Musik drumherum klingt dann doch wieder ganz „Twee“ – einfach und hübsche Melodien. Auch Törchenmusik will solche Momente nicht ausklammern, deshalb gibt’s heute diesen Titel: It’s Christmas and you’re boring me. *Hör ma!

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DREI* 30 Grad Temperaturunterschied liegen zwischen Hawaii und Schweden, wo das heutige Törchen-Musikstück seinen Ursprung hat. Dort hat Erik Hassle seine musikalische Laufbahn begonnen und gelernt mit seiner Stimme Text und Melodie sanft und ruhig vorzutragen. 24-jährig stürmt er mit seinen Songs die schwedische Popwelt. Meinen Pophorizont bereichert er mit Interpretationen von Suspicious Minds oder I Walk The Line. Damit und mit diesem Törchen-Hit This Christmas zeigt er, dass Zurückhaltung gut tut, wenn das Wesentliche keinen Schaden nimmt. *Hör ma!

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ZWEI* Weihnachtszeit ist (meist) auch Winterzeit. Auf Hawaii fällt die Mindesttemperatur auf 19,4 Grad ab und viel Regen ist keine Seltenheit. Hawaiianer stürtzt das schon mal in einen November-Blues, der mit Barbecue und Badespaß verdrängt wird. Paula Fuga, Singer-Songwriterin aus dem Jack Johnson Umkreis, schnürt um dieses Gefühl ihren Winter Swell Blues. Der wirkt erstaunlich leicht durch den Klang der Ukulele und eher unbeschwert durch die Kraft der Kulisse. *Hör ma!

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EINS * Überraschungen kann ich nur schwer für mich behalten, zu verlockend ist das Gefühl Freude zu teilen. Aus diesem Grund eröffne ich den Kalender mit einem Geschenk an euch, an uns: Last Christmas ist zurück! Die Band North Highlands aus Brooklyn, NY, hat sich dem mit Hassliebe erduldeten Super-Weihnachtshit von 1984 gewidmet und erlösen uns mit dieser reduzierten Version von Wham. Beruhigend wie ich finde. *Hör ma!

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Ein Tag – ein Lied. Törchenmusik verschenkt jeden Tag ein Stück Weihnachten und verzichtet dabei auf die Überdosis Klingeling, Kinderchor und Kitsch. Vorgehört und behutsam ausgewählt.
Für mehr Ruhe, für mehr Musik, für mehr Advent.

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